Geschlechtergerechte Sprache: Gendern geht auch ohne Sternchen
„Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.“
Solche Anmerkungen hast du sicher schon gelesen. Aber ist es wirklich ethisch vertretbar, den generischen Maskulin für alle Geschlechter zu nutzen, also in ausschließlich männlicher Form für Männer UND Frauen zu schreiben?
Die Psychologie hinter dem Genus
In einem Experiment der Freien Universität Berlin wurden knapp 600 Grundschulkindern Berufsbezeichnungen vorgelesen, entweder in Form der Beidnennung (z. B. Informatikerinnen und Informatiker) oder nur in der männlichen Form (Informatiker). Es stellte sich heraus, dass Kinder, die die Beidnennung gehört hatten, sich viel eher einen Beruf aus dem sogenannten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) für sich vorstellen konnten als die Kinder, denen nur die männliche Form genannt wurde. Sprache beeinflusst also zutiefst unsere persönlichen Vorstellungen.
Dieser Male-Bias, also dass Wörter im generischen Maskulinum eher männliche Bilder im Kopf erzeugen, findet nicht nur in Köpfen von Kindern statt. Versuchspersonen allen Alters und Geschlechts denken selbst bei stereotyp weiblich besetzten Berufen wie Kosmetiker, Kassierer oder Tänzer eher an Männer.
Viele psycholinguistische Studien zeigen: Wir neigen unbewusst dazu, das generische und das biologische Geschlecht gleichzusetzen. Somit steht die Verwendung des generischen Maskulins zu Recht in der Kritik.
Generischer Maskulin aus dem Duden gestrichen
Der Duden reagierte 2021 auf die öffentliche Diskussion mit einer Streichung desselben. Seither sind „Studenten“ laut Duden nur noch eine Gruppe ausschließlich männlicher Studierender. Der Grundgedanke dabei war die logische Konsequenz aus den Studienergebnissen: Am stärksten werden Frauen gedanklich immer dann einbezogen, wenn beide Geschlechter explizit genannt werden.
Im sprachwissenschaftlichen Diskurs wird diese Entscheidung nicht nur positiv bewertet: Die permanente Nennung beider Geschlechter verkompliziert nicht nur unsere Sprache, sondern wir teilen dadurch alle Menschen in eindeutig weiblich und eindeutig männlich ein. Dies macht eine Spaltung noch deutlicher und benachteiligt sogar Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter eindeutig zuordnen können oder möchten.
Der Verzicht auf das generische Maskulinum kann außerdem zu Missverständnissen führen: „Frida Kahlo war eine der wichtigsten Künstlerinnen ihrer Zeit.“ – war sie dies nun auch im Kreis der männlichen Kollegen?
Ein Blick auf die englische Sprache
Lass uns einen Blick auf die Entwicklung der englischen Sprache werfen. „She is a manager“: Hier hat sich eine einheitliche Form für alle Geschlechter durchgesetzt, auch wenn es durchaus möglich wäre, Berufsbezeichnungen im Sexus zu unterscheiden, wie es sogar in wenigen Ausnahmen gebräuchlich ist, zum Beispiel bei actor/actress.
Berufsbezeichnungen lassen im englischen Sprachgebrauch also in der Regel das Geschlecht nicht erkennen. Ein manager kann biologisch männlich, weiblich oder unbestimmten Geschlechts sein. Das ist grundsätzlich positiv.
Beim eingedeutschten Begriff wurde aus dem weiblichen Manager eine Managerin. Und während Margaret Thatcher als erste weibliche Person ihres Amtes als Prime Minister betitelt wurde (und eben nicht als Prime Ministress, wie es sprachlich durchaus möglich gewesen wäre), setzte sich für Frau Merkel die Bezeichnung Kanzlerin durch.
Generell lässt sich feststellen, dass Gesellschaften, deren Sprachen im Genus nicht unterscheiden, wie zum Beispiel im Englischen (the anstatt im Deutschen der/die/das) einen größeren Anteil von erwerbstätigen Frauen aufweisen und Frauen sich hier auch häufiger unternehmerisch oder politisch engagieren.
Je mehr wir uns also durch die Sprache angesprochen fühlen, desto aktiver sind wir auch. Die englische Sprache ist da eindeutig im Vorteil. Da wir in der deutschen Sprache mit diesem Vorteil nicht aufwarten können, stellt sich die Frage, wie wir damit nun umgehen.
Nehmen wir Männer zum Maßstab und nähern unser Sprachempfinden dahin an, um einen einheitlichen Begriff für alle zu haben? Dass unser Sprachempfinden formbar ist, zeigt sich immerhin an folgendem Beispiel: Warum sagen wir Kanzlerin Doktor Angela Merkel, aber empfinden Kanzler Doktorin Angela Merkel als völlig verkehrt?
Oder nehmen wir Männer UND Frauen als Maßstab und nutzen die sogenannte Movierung, also die Femininableitung aus einem Maskulinum (Verkäuferin ist abgeleitet vom Wort Verkäufer)? Letzteres zeigt in Studien eindeutig die größeren Effekte im Bezug auf die gefühlte Gleichberechtigung.
Auch jenseits des generischen Maskulins dominiert das männliche Prinzip
Neben der großen Thematik des generischen Geschlechts, sehen wir in vielen Sprachen die Benachteiligung von Frauen aber auch durch den Wortschatz. Und das übrigens auch im Englischen: „Man loves nature“ – „Der Mensch liebt die Natur“. Die Begriffe Mensch und Mann werden auch in anderen Sprachen zu einem einzigen Begriff zusammengefasst: l’homme (französisch), el hombre (spanisch), l’uomo (italienisch).
Zwar wird im Deutschen hier unterschieden, doch das männliche Prinzip verdeutlicht sich zum Beispiel durch unser kleines aber recht häufig genutztes Wörtchen „man“, dass sich natürlich vom Wort Mann ableitet.
Auch in Redewendungen werden Frauen ausgeschlossen, zum Beispiel in „ein Mann, ein Wort“ oder „einer Sache Herr werden“.
„Der Herr“ eröffnet auch schon das nächste große Thema: Warum ist das all erschaffende Prinzip eigentlich männlich? Ist es nicht sogar paradox, dass die Repräsentation des Göttlichen nicht eher in einen weiblichen, Geburt gebenden Kontext gestellt wird?
Die Kirche distanziert sich zwar öffentlich von der Vorstellung, Gott wäre männlich, benutzt aber weiterhin die männliche Form in der Sprache: „Er hält seine Hand über uns, der Herr, der allmächtige Vater.“
Kurz gesagt: Ob nun durch das generische Maskulinum, durch Redewendungen, Religion oder Wortschatz, Frauen werden durch Sprache benachteiligt, und das wirkt sich sichtbar auf unsere Gesellschaft aus.
Nun sollte man meinen, dass bei all diesen offensichtlichen Benachteiligungen, mit denen unsere Sprache den Frauen gegenübertritt, doch mindestens 50 Prozent der Menschen, nämlich mindestens alle Frauen, Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache befürworten sollten. Dem ist aber nicht so.
Zwei Drittel der Deutschen lehnen geschlechtergerechte Sprache ab
Zwei Drittel der Deutschen sind generell gegen das Gendern. Nach den Gesetzen der Mathematik ergibt sich daraus, dass sich nicht nur Männer, sondern auch viele Frauen gegen das Gendern stellen. Doch warum ist das so?
Das Phänomen, dass eine Gruppe, die Ausgrenzung erfährt, diese selbst weitergibt ist ein in der Psychologie bekanntes Phänomen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Lateral Violence. Frauen übernehmen unbewusst die Vorurteile der männerdominierten Gesellschaft.
Laut „Gender Social Norms Index“ glaubt weltweit die Hälfte aller Männer und Frauen, dass Männer bessere Politiker wären und mehr als 40 Prozent halten Männer für die besseren Geschäftsleute. Auch in Deutschland zeigt sich etwa die Hälfte aller befragten Frauen mit frauenfeindlichen Tendenzen.
Die Ausgrenzung von Frauen durch Sprache hat große Auswirkungen auf unser aller Denken – auf das der Männer und das der Frauen, und somit auf unsere ganze Gesellschaft. Wir können nicht alles sofort umkrempeln – Sprache entwickelt sich. Doch wir können sie in eine Richtung lenken, die eine gleichberechtigte Gesellschaft zum Ziel hat.
Gendersternchen sind nicht die Lösung. Ich verstehe, dass sie nerven. Mich nerven sie auch. Aber es ist wichtig, die Thematik generell ernst zu nehmen und sensibel darauf zu reagieren: Sprache ist so mächtig. Das erfahren wir tagtäglich durch die wunderbaren Erfolgsgeschichten, die wir als Resonanz auf unsere App „Affirmationen & Subliminals“ erhalten.
Wir formen unsere Sprache und unsere Sprache formt uns.
Sprache verändert sich seit es Sprache gibt. Manche Worte, die noch vor 100 Jahren benutzt wurden, kennen wir heute nicht mehr und auf der anderen Seite benutzen wir ganz selbstverständlich Worte, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab.
Als ich jung war, wurde ich zum Beispiel noch mit Fräulein angeredet. Ich habe das damals nicht in Frage gestellt. Heute schlage ich bei dem Gedanken daran die Hände über dem Kopf zusammen.
Wenn du als Frau nicht empört bist über deine Benachteiligung, bedeutet das vielleicht einfach nur, dass du ein Kind deiner Zeit bist und du als Teil der Gesellschaft nur begrenzte Möglichkeiten hast, diese von außen zu betrachten.
Es gibt keine Lösung, mit der wir sofortige Gleichstellung herbeiführen könnten. Aber wir sollten beweglich und kreativ mit den Fragestellungen, die unsere Sprache aufwirft, umgehen. Wir sollten im verständnisvollen Austausch darüber bleiben, auch wenn es anstrengend sein kann, Lösungsansätze zu finden. Aber etwas beizubehalten, weil es schon immer so war oder weil es der einfachere Weg wäre – das waren noch nie gute Argumente.
Wie du denkst, redest und handelst hat einen Einfluss auf diese Welt. Sei dir deiner Macht bewusst!
Welche Lösungsansätze für geschlechtergerechte Sprache gibt es?
- Gender-Sternchen: Für die mehrgeschlechtliche Schreibweise wird zwischen männlicher Form und weiblicher Endung ein Sternchen gesetzt. (z. B. Student*innen). Statt einem Sternchen können auch Unterstrich oder Doppelpunkt genutzt werden (Student_innen, Student:innen).
- Beidnennung: Beide Geschlechterformen werden genannt (z. B. Studentinnen und Studenten).
- Neutralisierung: Die männliche Form wird durch geschlechterneutrale Formen (z. B. Studentenschaft) oder Substantivierung (z. B. Studierende) ersetzt.
Gehen wir diese Möglichkeiten noch einmal anhand eines vollständigen Satzes durch. Ich persönlich sehe Genderzeichen nicht als erstrebenswert an. Sie verkomplizieren die Sprache und stören die Lesefreundlichkeit:
„Der/die Ärzt*in kann Arbeitnehmer*in oder Selbständige*r sein.“
Auch wenn die Beidnennung sich grundsätzlich positiv auf unsere unbewussten Ansichten auswirkt, so verlängern sich dadurch Texte unter Umständen unschön:
„Der Arzt oder die Ärztin kann Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin oder Selbstständiger bzw. Selbstständige sein.“
In der neutralen Umschreibung formuliert man etwas kreativer. Das dient der Lesefreundlichkeit:
„Die ärztliche Fachkraft kann angestellt oder selbstständig sein.“
Kreativ gendern
Mit der gendergerechten Sprache ist es ist wie mit allem, das man neu erlernt: Wenn du dich einmal grundsätzlich damit beschäftigt hast und weiter übst, wird es immer einfacher und selbstverständlicher, Sprache so zu gestalten, dass sich alle angesprochen fühlen. Ich empfehle dir diese Webseite als Hilfestellung: geschicktgendern.de
Dort findest du gute Ideen, um eindeutig weibliche oder eindeutig männliche Bezeichnungen zu umgehen und deinen Text geschlechtsneutral zu halten. Das kann durchaus Sinn machen, wenn man nicht permanent mit der Beidnennung seinen Text verlängern möchte.
Besonders positiv fiel mir übrigens auch schon vor meinen Recherchen das Vorgehen von „Die Zeit“ auf. Meike Dülffer, Textchefin von “Zeit Online“ äußert sich dazu wie folgt: „Wir verwenden Doppelformen. Geschieht das am Anfang einmal explizit, können wir im Weiteren abwechselnd sowohl den weiblichen als auch den männlichen Plural nehmen, um anzuzeigen, dass weiterhin alle gemeint sind.“ So können Texte ebenfalls geschlechtergerecht und lesefreundlich gestaltet werden.
Insgesamt lässt sich sagen, dass wir kreativ bleiben müssen, um gendersensibel und lesefreundlich gleichzeitig zu sein. Allgemeingültige Regeln, die in jedem Fall gut funktionieren, gibt es einfach nicht. Doch Gendern ist nicht nur eine Frage von Endungen und Sternchen, sondern ein Zusammenspiel von Sprache, gegenseitigem Verständnis und Gerechtigkeit.
Ich empfinde eine Mischung aus Beidnennung und neutralen Umschreibungen als guten Mittelweg.
Auch wenn wir nicht für alles sofort gute Lösungen finden, ist es doch wichtig, Zeichen zu setzen und beständig mit kleinen Schritten in Richtung Gleichberechtigung zu gehen.
Mein persönliches Fazit
- Das generische Maskulinum ist nicht per se schlecht. Es inkludiert alle. Eine Sprache, in der wir Bezeichnungen benutzen, die nicht auf das biologische oder soziale Geschlecht hinweisen, wäre grundsätzlich gut.
- Was in der Theorie gut ist, scheitert allerdings an der Realität. Das generische Maskulinum ist nicht wirklich generisch, es ruft maskuline Bilder in uns hervor. Wir benötigen also eine Lösung, mit der sich alle Geschlechter angesprochen fühlen.
- Gendersternchen erschweren die Lesbarkeit. Es gibt aber elegantere Möglichkeiten, wie zum Beispiel die Beidnennung in Kombination mit neutralen Umschreibungen, an die man sich schnell gewöhnen kann.
- Es gibt nicht für alle Problemstellungen unserer Sprache eine schnelle Lösung. Dennoch ist es wichtig, ein Bewusstsein für die Genderthematik zu entwickeln, da Sprache hilft, veraltete Geschlechterrollen aufzubrechen. Der sensible Umgang mit Sprache ist somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu wahrer Gleichberechtigung.
– – – – – – –
Text: Tanja
– – – – – – –
Ich bin Tanja, Gründerin von KYO.
Ich glaube daran, dass Glück dann entsteht, wenn du Ja sagst zum Leben und zu dir selbst. Wir alle befinden uns in einem fortwährenden Entwicklungsprozess, und ich möchte dir mit KYO Ideen und Konzepte vorstellen, die mir auf meinem Weg schon geholfen haben.
Schön, dass du da bist!
Weiterführende Artikel:
Nutze die Macht der Sprache für deine Ziele mit der KYO Mobile App „Affirmationen & Subliminals“
– – – – – – –
Quellen:
www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/286988/verordnete-emanzipation/
www.zeit.de/kultur/2021-05/gender-geschlechtergerechte-sprache-rechtschreibung-regeln-staat
www.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die-diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html
www.geo.de/wissen/24003-rtkl-sprachpolitik-ein-mieter-ist-maennlich-der-duden-streicht-das-generische
www.gespraechswert.de/gendern-international/
www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2015/fup_15_223-einfluss-geschlechtergerechte-sprache/index.html
/www.faz.net/aktuell/stil/leib-seele/soziologin-ueber-gendern-es-geht-um-das-patriarchat-der-sprache-17689108.html
www.gleichstellung-im-blick.de/die-entwicklung-des-patriarchats-und-wo-sie-es-heute-noch-finden-koennen/
blog.zeit.de/glashaus/2018/02/07/gendern-schreibweise-geschlecht-maenner-frauen-ansprache/
www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/christentum-warum-zu-einem-mann-beten-kolumne-a-1182927.html
www.deutschlandfunk.de/ddr-wenn-mutti-frueh-zur-arbeit-geht-100.html
www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2018.00985/full
www.business-spotlight.de/sprachratgeber-business-englisch-lernen/gendern-im-englischen
www.deutschlandfunk.de/streit-ums-gendern-was-sich-aus-frueheren-sprachdebatten-100.html
www.lpb-bw.de/gendern#c76354
www.tagesspiegel.de/wissen/debatte-um-den-gender-stern-finger-weg-vom-generischen-maskulinum/22881808.html
Hallo Tanja, danke für den tollen Artikel. Ich finde es richtig wichtig, dass die Sprache das Bewusstsein dafür schafft, wie begrenzt für weibliche, diverse und transgender Menschen ihre Selbstwirksamkeit ist und dass durch konkrete inklusive Nennungen da eine Veränderung erfolgen kann.
Ich denke, es ist je nach Textkategorie relativ leicht, zu entscheiden, welche Möglichkeit, geschlechtergerechte Sprache umzusetzen, am besten angewendet werden sollte. In Fachtexten und offiziellen Schreiben ist es das Gendersternchen, in Reden kann problemlos die explizite Nennung wenigstens der beiden generischen Geschlechter erfolgen, ideal natürlich mit einem Hineinnehmen der divers und transgender Menschen. In Sachtexten und Artikeln befürworte ich die wechselnde Ansprache, wie oben im Beispiel der Zeit.
Leider ist es auch im Englischen nicht so, dass es kein Geschlecht gibt. Tatsächlich ist der Artikel „the“ für alle 3 grammatikalischen Geschlechter gleich, allerdings hat jedes einzelne Substantiv ein definiertes Geschlecht und wird durch das Personalpronomen he, she oder it im Bedarfsfalle substituiert. Da es weltweit inzwischen wesentlich mehr Fremd- als Muttersprachler gibt, verwischt diese Geschlechtlichkeit der Substantive, auch, weil diese Unterscheidung erst ab einem relativ hohen Bildungsstand bei den Muttersprachlern von Bedeutung ist. Dann aber ist das Vorstellungsbild, das ein Wort auslöst auch geschlechterspezifisch. So ist the ship immer she und the engineer ist immer he.
Hallo Martin,
vielen Dank für Deinen interessanten Kommentar!
Tatsächlich kann Sprache begrenzen. Auf der anderen Seite empfinde ich die deutsche Sprache sehr reich durch die Unterscheidung in „der/die/das“. Dass dies im Englischen trotz „the“ ähnlich ist, ist sicher vielen nicht bewusst.
Ich wusste auch nicht, dass „engineer“ immer männlich ist. Ist das denn tatsächlich so? Auch wenn „the engineer“ eine Frau ist?
Bei meinen Recherchen hatte ich gelesen, dass inzwischen aber mehr Rücksicht genommen wird. So sagte man früher „Everybody loves his mom.“ und heute „Everybody loves their mom.“ Es scheint sich also etwas zu tun. Und das ist schön.
Liebe Grüße, Deine Tanja
Liebe Tanja,
vielen Dank für deine sehr fundiert recherchierte und sachliche Zusammenfassung der Thematik und deine daraus abgeleiteten Lösungsansätze. Ich bin ganz bei deiner Aussage, dass die Sprache einen deutlichen Einfluss hat und es gut überlegt sein will, wie man etwas formuliert. Mit deinem Lösungsansatz kann ich sehr gut mitgehen. In vielen Fällen halte ich die Verwendung von beiden Formen für das Beste. Bei allen Anreden macht sich „Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen“ einfach viel besser und ist persönlich ansprechender als „Liebe Zuhörende“. Genauso ist das bei „Liebe Kolleginnen und Kollegen“. Wobei man da ja immer mal tauschen kann und mal zuerst die männliche und mal zuerst die weibliche Form verwenden kann. Gar nicht mitgehen kann ich bei den Gendersternchen. Das ist eine Verunstaltung der Sprache.
Was in deiner Zusammenfassung noch fehlt, ist, dass man ja auch nur das Femininum verwenden könnte. Was natürlich den gleichen ausgrenzenden Duktus hat wie das Maskulinum. Aber damit wird vielleicht manch einer Person klarer, wie die Ausgrenzung durch die Sprache wirkt.
Liebe Grüße
Klaus
Hallo lieber Klaus,
ich mag, dass gerade Du als Mann die alleinige weibliche Nennung als Möglichkeit erwähnst. Eine Überbetonung des Weiblichen wäre natürlich das andere Extrem und auch nicht ausgeglichen, aber ich stelle oft fest, dass ein Umdenken meist mit einem kurzen „Überschwappen“ ins andere Extrem einhergeht. Auch wenn es nicht die finale Lösung wäre, würden zumindest einige darüber stolpern und das ist ja grundsätzlich gut.
Insgesamt, ja, wird die Beidnennung den meisten Menschen gerecht, deshalb mag ich sie auch.
Herzlichen Dank für Deinen Kommentar!
Deine Tanja
Hallo liebe Tanja,
endlich jemand, die eine offene und konstruktive Haltung zum Gendern übernimmt und diese so einladend hier präsentiert. Ich danke dir sehr dafür. Das macht es mir leichter, mich zu orientieren.
Ich persönlich empfinde schon länger Sprache und Kommunikation als sehr machtvoll und schöpferisch und versuche, darauf zu achten. In Bezug auf das Gendern handlich verhielt ich mich bisher ambivalent, war es mir doch bisher irgendwie zu umständlich, mich so wesentlich damit zu befassen wie du das hier tust. Deswegen nochmals danke für die umfassende Recherche und Darstellung des Themas.
Bei mir war es bisher so, dass ich v.a. wenn ich Frauen zugehört habe, die eine extrem männlich orientierte Sprache benutzen z.B. sogar, wenn nur Frauen im Raum sind, sagt, dass „er“ etwas Bestimmtes tun soll oder so, echten Schmerz empfand. Ich empfinde das wie Gewalt. Innerlich halte ich in solchen Situationen den Atem an und bekomme Mitgefühl oder Distanz zu der Frau, die so sehr mit dem männlichen Blick auf die Welt identifiziert zu sein scheint.
Auch in nicht so eindeutigen Situationen fällt mir auf, wenn nicht gegendert wird und es fühlt sich unangenehm an. Wenn ich selbst Texte verfasse, bin ich ambivalent diesbezüglich. Auch wenn ein Mensch abwertend übers Gendern spricht, bin ich leicht verunsichert. Durch deinen Artikel wird es mir leichter fallen, meinem natürlichen Gefühl dazu mehr zu folgen und meinen Standpunkt dazu zu formen und zu vertreten.
Herzliche Grüße
Liebe Margit,
vielen Dank für Deine offenen Worte!
Ich selbst bin ja auch durch so einen Prozeß gegangen. Als vor längerer Zeit das Thema Gendern aufkam, dachte ich erst „Naja, also man kann auch übertreiben.“ Das ist zwar schon lange her, aber ich weiss sehr gut, wie sich das anfühlt, noch in den alten Strukturen zu stecken. Mir ist damals meine eigene Benachteiligung nicht mal aufgefallen. Wenn alle eine Sache schon immer auf die gleiche Weise handhaben, und Du eben Teil dieser Gruppe bist, dann ist es sehr schwer, dieses Verhalten infrage zu stellen.
Ich bin mit einer frauenfeindlichen Mutter groß geworden und genau wie meine Schwester habe ich viele Jahre ihre Ansichten geteilt. „Geh immer zu einem Arzt, nie zu einer Ärztin. Frauen haben auf dem Gebiet keine Kompetenz.“ Unglaublich. Aber ich habe den Rat meiner Mutter viele Jahre befolgt. Bis ich irgendwann gemerkt habe, was das eigentlich für ein Irrsinn ist. Als ich meine Mutter und meine Schwester darauf angesprochen habe, dass ihre Ansichten frauenfeindlich sind, haben mich beide ausgelacht. Das wäre ja lächerlich, sie wären ja selbst Frauen. Sie haben es WIRKLICH nicht gesehen.
Deshalb weiss ich, wie unglaublich blind man für etwas sein kann, wenn man (oder frau) mittendrin steckt. Und wie wichtig es ist, die richtigen Informationen zu bekommen. Denn im Moment gibt es fast nur laute Stimmen von Gendergegnerinnen und -gegnern.
Wenn also dieser Artikel auch die Pro-Seite etwas beleuchten konnte, dann bin ich froh!
Liebe Grüße! Deine Tanja
Hallo liebe Tanja,
da hast du einen ganz wunden Punkt getroffen!
in der Bibel steht ja schon „Am Anfang war das Wort“
ich war seinerzeit auch ziemlich brastig
und dann -irgendwann-ging mir ein Licht auf: dämlich, herrlich
ich brauch das doch nicht weiter erläutern……
liebe Grüße
Inge
Liebe Tanja,
ich finde Deine Beiträge sonst super, weil sie vom Herzen kommen.
Bei diesem Theme merke ich, wie sich mir die Haare sträuben,
weil es nicht dem sonstigen Geiste zu entsprechen scheint und
eher „feministischer“ Indoktrination geprägt ist und alles sehr weit hergeholt zu sein scheint.
Es gibt für mich real nur die biologischen Geschlechter, alles andere muss sich daran messen.
Geschlechtergerecht heißt für mich, dass beide Geschlechter berücksichtigt werden, wo relevant.
Dazu kommt, dass sogenannte gendergerechte Sprache nun wirklich nicht dem Ansatz der leichten Sprache entspricht und den Lese- und Sprachfluss erheblich stört. Eine feine Literatur zu verfassen, erscheint damit ebenso erheblich erschwert zu werden, um ein schlimmeres Wort zu vermeiden.
Ich weiß, Sprache unterliegt dem Wandel. Dies erfolgt überwiegend natürlich. Dagegen erscheint, die Gendersprache willkürlich von einer Minderheit über geholfen zu werden, das kann nicht gut sein, gut werden.
Liebe Grüße
Jörg
Hallo Jörg, vielen Dank für Dein Feedback!
Wie ich ja bereits geschrieben habe, bin ich auch keine Freundin davon, Texte unnötig zu verkomplizieren. Aber ich glaube, es geht auch ohne Sternchen und andere Stolpersteine.
Sag mal ehrlich: Findest Du, dass meine Texte schwierig zu lesen sind?
Sie sind ja auch immer gegendert, aber dennoch lesefreundlich. Das empfinde ich zumindest so.
Wenn man sich einmal damit wirklich auseinandersetzt, dann ist das alles gar nicht so schwer.
Indoktrinierend empfinde ich eher das Generische Maskulin. Und Feminismus steht für mich auch nicht in Anführungszeichen. Ganz klar: Ich bin Feministin. Und das ist kein Wettkampf der Geschlechter. Es geht lediglich um Gleichberechtigung. Und auch wenn vieles besser geworden ist, sind wir da leider noch lange nicht angekommen.
Gender-Pay-Gap, Ehegattensplitting, Gewalt gegen Frauen, das ist ja alles gelebte Realität. Für Männer vielleicht weniger spürbar.
Unsere Sprache sehe ich dabei als einen wichtigen Pfeiler. Dass das alles eine Grundlage hat, siehst Du ja auch an den Studien, die ich angeführt habe.
Ich denke, dass es Zeit ist, umzudenken. Deshalb habe ich diesen Beitrag geschrieben. Und auch dieser kommt von Herzen!
So oder so wird sich unsere Sprache ändern, da sind wir uns einig, ein natürlicher Wandel ist unaufhaltsam, auch wenn er langsam vor sich geht. Ich merke immer wieder, wie jüngere Menschen ganz natürlich gendern, auch in ihrer Alltagssprache. Und das ist ganz wunderbar.
LG! Tanja